
Time is honey – Karlheinz und Jonas Geißler
Zeitleben statt Zeitmanagement lautet das Credo der beiden Autoren. Zeit ist dazu da, sie zu genießen und die unterschiedlichen Qualitäten bewusst zu erleben.
Das Buch in drei Sätzen
Zeit erleben wir in erster Linie als Problem, weil wir glauben, immer weniger davon zu haben und verbissen versuchen, sie noch effizienter zu nutzen, noch besser zu managen und noch mehr zu sparen.
Zeitmanagement löst jedoch unsere Zeitprobleme nicht, vielmehr verschärft sie sie, weil es den Glaubenssatz Zeit ist Geld zur Grundlage hat und nicht die „honigsüßen“ Qualitäten des Zeiterlebens berücksichtigt.
Time is honey hilft nicht dabei, noch mehr in einen Tag zu packen, sondern bietet Anregungen und Inspirationen, wie wir zu mehr Zeitwohlstand und Zeitlust kommen können, indem wir unsere Kompetenzen im Auswählen, Verzichten und Ignorieren stärken.

Time is honey – meine Zusammenfassung
Was ist Zeit?
Wir wissen nicht, was Zeit ist. Was wir jedoch „Zeit“ nennen, darüber wissen wir relativ gut Bescheid. Zeit ist eine von Menschen gemachte, eine unsere Wirklichkeit gestaltende Illusion. Wenn wir von „Zeit“ sprechen, tun wir das anhand von Einbildungen und Vorstellungen, die wir uns von ihr machen. Zeit ist für den Physiker etwas anderes als für den Ökonomen oder den Politiker.
Verschiedene Kulturen, Epochen, Klimazonen und Religionen haben jeweils unterschiedliche Vorstellungen von Zeit, die sich auf das individuelle und gesellschaftliche Zeitleben auswirken.
In der europäischen Kultur erfolgte der radikalste Wandel in der Sichtweise auf die Zeit mit der Erfindung der Räderuhr am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit vor mehr als 600 Jahren. Dies prägt bis heute unser Bild, wie wir Zeit wahrnehmen. Zeit = Uhrzeit.
„An der Zeit selbst lässt sich nichts ändern. Wir können sie weder managen noch sparen, können sie nicht verlieren und nicht gewinnen und auch nicht in den Griff bekommen. … Wir können mir ihr überhaupt nichts machen, sie macht alles mit uns.“
Warum ist Zeitmanagement kritisch zu sehen?
Zeitmanagement
- behauptet, die Zeit in den Griff zu bekommen, führt aber den Menschen in ein noch verplanteres und kalkulierteres Leben.
- führt nicht zu mehr Zeitgenuss, sondern zu umfassender zeitlicher Selbstkontrolle und trifft somit das Problem nicht.
- liebt die Zeit nicht, sie sieht in ihr ein Problem. Die Methoden haben zum Teil gewalttätige Züge.
„ZeitLeben statt Zeitmanagement, so lautet mein Motto.“
Vom geliebten Zeitmangel
Wir leben in einer Gesellschaft in der Zeitnot angesehener als Zeitwohlstand ist. „Ich habe keine Zeit!“ ist die am meisten strapazierte Ausrede unserer Gesellschaft.
„Es geht nicht um einen Mangel an Zeit, sondern um einen Mangel an Lust.“
Die Uhrzeit ist nicht die Zeit.
Was wir Zeitprobleme nennen, gibt es erst seitdem wir zwischen Uhrzeit und Naturzeit entscheiden können und müssen.
Uhrzeit = standardisierte, genaue Zeit
Naturzeit = lebendige, variable, ungenaue Zeit
Die Uhr misst die Zeit nicht, sondern simuliert sie und wurde zum Symbol für grenzenlose Machbarkeit, Kontrollierbarkeit und Planbarkeit.
Die Erfindung der Uhrzeit war für die Menschheit ein Segen. Sie hat die Menschen wohlhabender, mobiler und um viele Erfahrungen reicher gemacht. Sie ist aber zu einer moralischen Instanz gworden, einer Herrscherin, die wir zu lieben gelernt haben.
Als Lebewesen bleibt der Mensch immer ein Teil der Natur. Der Blick auf die Uhr ist zur Routine geworden und hat uns von unseren Leidenschaften und unserer Natur entfremdet. Die tägliche Herausforderung besteht darin, die jeweils richtige Haltung einzunehmen.
„Wir brauchen beides, die Natur und ihre Zeitsignale, um Zeiterfahrugen zu machen, die uns zufriedenstellen und gesund halten, und die Uhr, um die Zeit in Teile zu zerlegen und zu messen.“
Die Zeitmuster Rhythmus und Takt
Takt = Zeitmuster, dem die Uhrzeit folgt.
Rhythmus = Zeitmuster, dem die Naturzeit folgt.
Von welcher Zeit hätten wir gerne mehr, wenn wir uns nach mehr Zeit sehnen? Alles Lebendige entfaltet sich rhythmisch und nicht nach der Uhrzeit. Die rhythmischen Zeiten machen zeitsatt und zeitzufrieden, sie kennen ein „genug“.
Zeitfreiheit oder Zeitprobleme entstehen, weil wir zwischen den Zeitmustern des Takts und des Rhythmus wählen können/müssen.
Takt ist autoritär und unelastisch. Er unterscheidet zwischen richtig und falsch, zwischen pünktlich und unpünktlich. Nur die vertaktete Zeit ist in rationale und ökonomische Effizienzkriterien umsetzbar und verrechenbar. Die Uhrzeit macht die Zeit zu einer Frage des Geldes.
Rhythmus ist ein temporales Gliederungssystem, die den Menschen mit der Natur und den kosmischen Zyklen verbindet. Der Rhythmus gliedert die Zeit, verleiht dem Dasein Schwung. Er sorgt für ein pulsierendes, ein abwechslungsreiches Leben. Der Leib verlangt nach Rhythmus und strebt danach.
„Jedes Leben – auch das menschliche – ist auf Dauer ausschließlich als rhythmisches Leben möglich.“
Mobiltelefon statt Uhr
Die Uhr hat ihr Monopol an das Mobiltelefon abgegeben. Die Pünktlichkeitsmoral wurde von der Flexibilitätsmoral abgelöst. Nonstop-Aktivität und permanente Erreichbarkeit machen die Uhr als Vehikel zeitlicher Koordination überflüssig.
Zu arbeiten, wann und wo wir wollen, wird als Errungenschaft gesehen. „Flexibilität“ ist jener Zustand, den wir heute mit „Zeitfreiheit“ gleichsetzen.
Rhythmen müssen wir nicht herstellen, sie wohnen uns inne. Gewohnheiten, Rituale und Bräuche sind das Rückgrat unseres Daseins.
„Rhythmus ist ein qualitatives Muster der Vielfalt, das auf den Achsen zwischen Anspannung und Entspannung, Aktivität und Passivität, Einatmen und Ausatmen vieles ermöglicht.“
Zeitvielfalt
- Zwischenzeiten:
Intervalle, Pausen und Übergänge ermöglichen es uns, Erlebtes auf Abstand zu bringen und zu uns selbst zu kommen (Heimweg von der Arbeit, Dämmerung, Mittagspause, Urlaub). Dies erfordert unseren Mut zur Lücke.
„Der größte Feind der Zwischenzeiten ist das Zwischendurch.“
- Warten:
Was länger dauert, bedroht das Gefühl der Sicherheit und raubt uns die Ruhe. Den Zeit-ist-Geld-Anhängern ist das Warten eine verlorene Zeit. Es gibt verschiedene Arten des Wartens.
Wartenlassen zählt zu den Selbstaufblähungsritualen der Mächtigen und der, die mächtig sein wollen.
Dann gibt es das Warten in Situationen, in denen die Verwertungslogik der knappen Zeit das Geschehen bestimmt.
„Warten erst macht jene Fragen und Antworten möglich, die das Warten und Abwarten zu Voraussetzung haben.“
- Pausen:
„Was tust du, wenn du nichts tust?“ ist eine der am stärksten irritierenden Fragen, die man einem Zeitgenossen stellen kann.
Pausen sorgen für Abstand. Sie unterbrechen ein Tun durch ein Nichtstun. Die Pause führt uns aus der Gewohnheit. Pausen sind nicht „nichts“.
„Der Weg zu Zeitwohlstand, Zeitzufriedenheit und einem zeitreichen und zeitsatten Leben führt durch die Doppeltüre von Pause und Ruhe.“
- Muße und Müßiggang:
In Mußezeiten sind wir ganz bei uns und uns selbst genug. Zeit spielt keine Rolle. Muße ist verfügbare Zeit, über die nicht verfügt wird, es ist ein Zustand zeitlicher Offenheit, bei dem man sich in den Fluten und Wellen der Zeit hin und her treiben lässt.
Faulheit und Muße sind nicht dasselbe.
„Erst als man sich entschloss, eine Leidenschaft zur Verrechnung von Zeit in Geld zu entwickeln und diese zu belohnen, wurde der Vorwurf der „Faulheit“ zu einer Art Rüge … „
- Langeweile:
Der Kampf gegen die Langeweile ist ein lukratives Geschäft geworden. In einer Gesellschaft, die dem Tun mehr Platz einräumt als dem Lassen, ist die Langeweile ein Makel, ein Stigma, ein Zeichen des Versagens.
„Was immer sie gegen die Langeweile tun: Lassen Sie es!“
- Jetzt:
Das Jetzt ist die Grundlage des Lebens, Leben findet stets nur „jetzt“ statt. Die Wahrnehmung dessen, was sich gerade ereignet, scheitert an dem, was noch zu machen ist, und an dem, was demnächst zu tun ist. Wir schauen nicht, sondern stellen uns etwas vor.
Achtsameitsmethoden, Meditationsseminare, Einkehrtage und Klosterurlaube erleben eine Renaissance. Einmal mehr gelingt es dem Kapitalismus aus einem Problem für das er selbst verantwortlich ist, ein florierendes Geschäft zu machen.
„Will der Mensch sich selber nicht versäumen, muss Zeit gelebt, nicht nur verplant werden.“
Zeitgeflecht
Wir brauchen eine andere Form des Umgangs mit Zeit, die jenseits des Zeitmanagements liegt.
Das Modell „Zeitgeflecht“ bildet als Ergebnis die individuelle Situation ab, die aus Abhängigkeiten und Spielräumen, Zeitzwängen und Zeitfreiheiten gestrickt ist.
- Aufgabenzeiten
- Organisationszeiten
- Eigenzeiten
- Sozialzeiten
- Naturzeiten
- Ressourcenzeiten
Diese zeitlichen Gestaltungskräfte existieren nebeneinander und beeinflussen sich gegenseitig. Sie gilt es besser zu bewältigen und zu gestalten. Es geht immer wieder um Kompromisse und Balance.
Auswählen, Verzichten, Ignorieren, Verpassen
In unserer Welt läuft man Gefahr, von der Masse der vielen Möglichkeiten erdrückt oder erschlagen zu werden. Das lässt sich nur vermeiden, wenn man auswählt, verzichtet, ignoriert und vieles verpasst.
„Das muss man können. Kann man es nicht, muss man das Auswählen, das Verzichten, das Ignorieren und das Verpassen lernen.“
Zu den Autoren:
Karlheinz Geißler ist Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr München. Seit rund 30 Jahren befasst er sich mit dem Thema Zeit und lebt genauso lang ohne Uhr.
Jonas Geißler hat Soziologie und Medienmanagement studiert. Gemeinsam mit seinem Vater hat er timesandmore – Institut für Zeitberatung gegründet und ist als Trainer, Berater, Vortragender und Autor tätig.
Time is honey beinhaltet zahlreiche Tipps und Denkanstöße, wie man seinen Alltag und seinen Umgang mit Zeit menschlicher gestalten und besser auf die persönlichen Bedürfnisse abstimmen kann. Da es unmöglich ist, auch nur einen Bruchteil hier anzuführen, wird es dazu einen eignen Beitrag geben.
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